Ist eine Zwangsvollstreckung trotz laufendem Insolvenzverfahren möglich?

Von Meike Z.

Letzte Aktualisierung am: 5. April 2024

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ist im Insolvenzverfahren eine Zwangsvollstreckung erlaubt?
Ist im Insolvenzverfahren eine Zwangsvollstreckung erlaubt?

Laut dem Schuldneratlas 2018 waren im Jahr 2018 über 6,9 Millionen Menschen über 18 Jahre überschuldet – ihr Vermögen hat also ihre Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt. Häufig führen Arbeitslosigkeit, die Trennung vom Partner oder eine Krankheit zur Überschuldung.

Betroffene, die ihre Schulden aus eigener Kraft nicht mehr abbauen können, haben die Möglichkeit, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schuldner können die Privatinsolvenz anmelden, an deren Ende in der Regel die lang ersehnte Restschuldbefreiung steht.

Vor der Privatinsolvenz haben viele Schuldner damit zu kämpfen, dass Gläubiger gewisse Maßnahmen anstrengen, um an ihr Geld zu kommen. Doch wie verhält es sich mit der Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren?

Zwangsvollstreckung in der Insolvenz kurz zusammengefasst

Ist die Zwangsvollstreckung während der Insolvenz zulässig?

Eine Zwangsvollstreckung während der Insolvenz ist laut § 89 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht erlaubt – das betrifft jedoch nur die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen bereits vor der Insolvenzeröffnung bestanden.

Das heißt, andere Gläubiger dürfen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen veranlassen?

Ja. Neugläubiger dürfen nach Ablauf einer sechsmonatigen Sperre Vollstreckungsmaßnahmen trotz Insolvenz anordnen. Diese sind in der Regel jedoch nicht erfolgreich.

Wie können Neugläubiger dann ihre Forderungen durchsetzen?

Neue Gläubiger sollten ihre Ansprüche titulieren lassen, damit ihre Forderungen nicht während des Insolvenzverfahrens verjähren. Dadurch haben sie 30 Jahre Zeit für die Zwangsvollstreckung.

Besondere Regelung im Insolvenzrecht: Zwangsvollstreckung bei der Privatinsolvenz

Insolvenzgläubiger dürfen keine Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren durchführen.
Insolvenzgläubiger dürfen keine Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren durchführen.

Zahlt eine Person Rechnungen oder Raten nicht pünktlich, lässt ihm der Gläubiger zunächst Mahnungen zukommen. Reagiert der Schuldner weiterhin nicht, kann der Gläubiger zunächst ein gerichtliches Mahnverfahren anstreben und im Anschluss einen vollstreckbaren Titel erwirken. Mithilfe dieses Titels hat er dann die Möglichkeit, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anzuordnen, um doch noch an sein Geld zu kommen.

Besonders häufig greifen Gläubiger dabei auf die Konto- oder die Lohn- bzw. Gehaltspfändung zurück. Bei Ersterem kann der Gläubiger auf das Konto des Schuldners zugreifen. Die Gehalts- bzw. Lohnpfändung setzt demgegenüber direkt beim Arbeitgeber des Schuldners an. Dieser ist dazu verpflichtet, den pfändbaren Teil des Gehalts bzw. Lohns des Schuldners direkt an den Gläubiger zu überweisen.

Das gilt bezüglich der Zwangsvollstreckung in der Insolvenz für Insolvenzgläubiger

Die oben genannten Maßnahmen stellen für Schuldner häufig eine große Belastung dar. Sie erhoffen sich, dass mit der Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren endlich Schluss ist. Doch ist dem tatsächlich so? Maßgeblich ist hier § 89 Abs. 1 InsO. Dort heißt es:

Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

Insolvenzgläubiger dürfen also keine Maßnahmen der Zwangsvollstreckung bei laufender Insolvenz durchführen. Doch wer ist in diesem Zusammenhang eigentlich ein Insolvenzgläubiger? Hierzu gehören laut § 38 InsO die Personen, die eine Forderung gegen den Schuldner haben. Ihr Anspruch muss dabei schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben.

Die Insolvenzgläubiger müssen ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Sie werden dann im Zuge der Insolvenz befriedigt. Eine gesonderte Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren würde den Gläubiger gegenüber den anderen bevorteilen, weshalb dies in der Regel nicht erlaubt ist.

Regelungen für Neugläubiger zur Vollstreckung bei der Insolvenz

Gläubiger dürfen eine Zwangsvollstreckung bei laufender Insolvenz anmelden, wenn es sich um Neuschulden handelt.
Gläubiger dürfen eine Zwangsvollstreckung bei laufender Insolvenz anmelden, wenn es sich um Neuschulden handelt.

Anders verhält es sich jedoch, wenn Zwangsvollstreckung und Insolvenz bei neuen Schulden aufeinandertreffen. Es kommt nämlich durchaus vor, dass ein Schuldner während des Insolvenzverfahrens neue Schulden anhäuft – etwa, weil er Waren bestellt und diese nicht bezahlt.

Entstehen diese Schulden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sind sie für die Privatinsolvenz nicht relevant. Der Gläubiger kann diese Forderungen nicht anmelden und sie werden auch nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Ist in diesem Fall eine Zwangsvollstreckung trotz Insolvenz möglich?

Neue Gläubiger haben grundsätzlich die Möglichkeit, eine Zwangsvollstreckung im Insolvenzverfahren durchzuführen. Allerdings ist dies erst während der Wohlverhaltensphase möglich. Hier ist jedoch ein wichtiges Problem zu beachten: In der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner sein pfändbares Einkommen an den Insolvenzverwalter abgeben. Des Weiteren wurde sein Vermögen zuvor bereits verwertet.

Eine Vollstreckung trotz Insolvenz ist also prinzipiell möglich, aber in den seltensten Fällen zeigt sie Erfolg. Aus diesem Grund sollten betroffene Gläubiger ihre Forderung titulieren lassen. Dann verjähren die Schulden erst nach 30 Jahren. So bleibt ihnen ausreichend Zeit, um nach dem Ende des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner wieder um ein höheres Einkommen verfügen sollte, eine Vollstreckung anzuordnen.

Zwangsvollstreckung nach durchlaufenem Insolvenzverfahren: Was ist möglich?

Regeln zur Zwangsvollstreckung: Nach dem Insolvenzverfahren können Gläubiger tätig werden.
Regeln zur Zwangsvollstreckung: Nach dem Insolvenzverfahren können neue Gläubiger tätig werden.

Nach erfolgreich durchlaufener Privatinsolvenz erfolgt die Restschuldbefreiung. Der Schuldner wird dann – bis auf wenige Ausnahmen – von seinen noch bestehenden Schulden befreit.

Das bedeutet, dass Insolvenzgläubiger in der Regel keine Möglichkeit mehr haben, eine Zwangsvollstreckung nach dem Insolvenzverfahren anzustreben, falls sie nicht vollständig befriedigt wurden.

Anders verhält es sich bei neuen Schulden, die nach dem Verfahren entstehen. Auch hier gilt, dass wieder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen möglich sind.

Bei der Regelinsolvenz – der Insolvenz für Unternehmen – kann es dazu kommen, dass das Verfahren aufgehoben wird, weil die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um damit die Verfahrenskosten zu begleichen. Die Gläubiger können in diesem Fall nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

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Meike unterstützt das privatinsolvenz.net-Team seit 2016. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Themen, die das Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht betreffen, leicht verständlich aufzubereiten.

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