Bisher dauert die Privatinsolvenz im Regelfall sechs Jahre. Nur wer in der Lage ist, vorzeitig die Verfahrenskosten aufzubringen und ggf. noch 35 Prozent der Schulden, kann diese Verfahrensdauer auf fünf oder sogar drei Jahre verkürzen und dadurch für eine Restschuldbefreiung erhalten. Dafür muss der Schuldner aber über Geld verfügen, das er eigentlich gar nicht hat. Deshalb ist die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren eher die Ausnahme als die Regel.
Das soll sich mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1023 in deutsches Recht ändern. Der folgende Ratgeber stellt die alte und die neue Rechtslage vor und fasst die wichtigsten Fakten zusammen.
„Restschuldbefreiung nach 3 Jahren“ kurz zusammengefasst
Aktuell, d. h. bei Insolvenzverfahren, die vor dem 1.10.2020 beantragt wurden, ist die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren nur möglich, wenn der Schuldner innerhalb dieser Zeit mindestens 35 Prozent der Insolvenzforderungen und die Verfahrenskosten bezahlt. Für diejenigen, die das nicht können, gilt bei der Privatinsolvenz eine Dauer von sechs Jahren, bis sie die Restschuldbefreiung erhalten.
Ja. Der deutsche Gesetzgeber plant eine deutliche Verkürzung mit Restschuldbefreiung schon 3 Jahre nach der Eröffnung der Privatinsolvenz. Er setzt damit die Vorgaben einer EU-Richtlinie um, die eine Restschuldbefreiung schon nach 3 Jahren verlangt.
Konkret ist eine Restschuldbefreiung nach 3 Jahren für jene Schuldner vorgesehen, die ab dem 1.10.2020 Privatinsolvenz beantragen. Für sie verkürzt sich die Wohlverhaltensphase (Abtretungsfrist) von 6 auf 3 Jahre. Die Restschuldbefreiung wird anschließend vom Insolvenzgericht erteilt. Einen Überblick über die geplanten Änderungen finden Sie hier.
Inhalte
Alte Rechtslage: Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach 3 Jahren
Nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Insolvenzordnung (InsO a. F.) ist ein Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung nach 3 Jahren möglich, wenn der Schuldner in dieser Zeit …
- die Verfahrenskosten beglichen und
- mindestens 35 Prozent der Schulden getilgt hat.
Dabei muss der Schuldner angeben, woher die Gelder, die er hierfür an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abführt und die über den pfändbaren Betrag hinausgehen, stammen. Und er hat zu versichern, dass seine Angaben richtig und vollständig sind.
Neben dieser Verkürzung der Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung nach drei Jahren sieht die noch geltende Rechtslage eine Verkürzung auf 5 Jahre vor, wenn es der Schuldner innerhalb dieser Zeit schafft, alle Verfahrenskosten zu begleichen.
Neue Rechtslage zur Privatinsolvenz: Restschuldbefreiung nach 3 Jahren ohne besondere Bedingungen
Die bereits erwähnte EU-Richtlinie verlangt, dass unternehmerisch tätige Menschen die Möglichkeit haben sollen, sich innerhalb von 3 Jahren in einem Restschuldbefreiungsverfahren zu entschulden. Auch für Verbraucher wird ein dreijähriges Verfahren nur empfohlen. Der deutsche Gesetzgeber muss diese Vorgaben bis zum 17.07. 2021 in ein entsprechendes Gesetz umsetzen. Das Gesetzgebungsverfahren läuft bereits.
Der Regierungsentwurf sieht dabei folgende Neuregelungen des Insolvenzrechts vor:
- Wenn ein Schuldner ab dem 1.10.2020 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, erlangt er die Restschuldbefreiung bereits nach 3 Jahren.
- Diese verkürzte Privatinsolvenz ist nicht wie bisher daran geknüpft, dass der Schuldner innerhalb dieser 3 Jahre mindestens 35 Prozent der Schulden und sämtliche Verfahrenskosten tilgt.
- Verbraucher, die bereits früher – ab dem 17.12.2019 – ihre Insolvenz angemeldet haben, verkürzt sich das Verfahren ebenfalls um einige Monate. Für sie bleibt die Möglichkeit bestehen, Restschuldbefreiung nach 3 Jahren zu erhalten, wenn sie die oben benannte Bedingungen (35 Prozent der Schulden) erfüllen.
- Die nach der neuen Rechtslage vorgesehene Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf 3 Jahre soll für Verbraucher zunächst nur befristet bis zum 30.6.2025 gelten, „um etwaige Auswirkungen auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbraucher beurteilen zu können“, wie es in der Pressemitteilung des Bundesministerins der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 1.7.2020 heißt.
- Für alle ab dem 1.10.2020 beantragten Privatinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung nach 3 Jahren gilt eine anschließende Sperrfrist von 11 Jahren, wenn der Schuldner erneut Insolvenz mit Restschuldbefreiung anmelden möchte. Im zweiten Insolvenzverfahren dauert die Wohlverhaltensphase 5 Jahre.
- Schuldner müssen auch Schenkungen zur Hälfte und Gewinne aus Lotterien oder vergleichbaren Spielen vollständig an den Insolvenzverwalter herausgeben.
Der Bundesrat hat am 18.9.2020 Stellung zum Regierungsentwurf genommen. Hinsichtlich der herauszugebenden Gewinne bittet er um Prüfung einer möglichen Bagatellgrenze. Des Weiteren fordert der Bundesrat, dass Auskunfteien wie die SCHUFA gespeicherte Daten über die Privatinsolvenz oder Restschuldbefreiung bereits nach einem Jahr löschen müssen. Bisher werden diese Informationen erst 3 Jahre nach der Restschuldbefreiung von der SCHUFA gelöscht.
Quellen und weiterführende Links
- Pressemitteilung des BMJV vom 1.7.2020
- Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf (Drucksache 439/20)
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