Aufrechnung im Sinne der §§ 388 ff. BGB

Von Sascha Münch

Letzte Aktualisierung am: 18. August 2025

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Aufrechnung und ihre Bedeutung kurz zusammengefasst

Was ist eine Aufrechnung laut BGB?

Hier stehen sich zwei Parteien gegenüber, die eine Forderung gegenüber der jeweils anderen Partei besitzen. Anstatt ihre Schulden zu bezahlen, können sie die Aufrechnung erklären. Dadurch erlöschen die Forderungen, soweit sie sich decken.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Aufrechnung möglich?

Dieses Vorgehen setzt eine Aufrechnungserklärung und eine Aufrechnungslage voraus. Beides erläutern wir in diesem Abschnitt.

Wann ist eine Aufrechnung nicht möglich?

Die Aufrechnung mit einer verjährten Forderung ist nicht möglich. Sie ist auch dann ausgeschlossen, wenn ein Aufrechnungsverbot besteht. Mehr erfahren Sie hier.

Ist eine Aufrechnung während der Insolvenz möglich?

War ein Gläubiger bereits vor Eröffnung der Insolvenz zur Aufrechnung berechtigt, so bleibt diese Aufrechnungslage erhalten. § 96 InsO verbietet eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren, beispielsweise wenn ein Insolvenzgläubiger die Forderung erst nach der Insolvenzeröffnung erworben hat.

Die §§ 388 ff. BGB ermöglichen die Aufrechnung zwischen Hauptforderung und Gegenforderung.
Die §§ 388 ff. BGB ermöglichen die Aufrechnung zwischen Hauptforderung und Gegenforderung.

Was versteht man unter einer Aufrechnung von Forderungen? Beispiel

Was bedeutet Aufrechnung laut Definition?
Was bedeutet Aufrechnung laut Definition?

Im Geschäftsleben kommt es vor, dass sich zwei Parteien gegenseitig Geld schulden. Das heißt, beide sind sowohl Gläubiger als auch Schuldner. Nun könnte jede Partei ihre Verbindlichkeit bezahlen. Viel einfacher ist es allerdings, die Geldforderungen miteinander zu verrechnen. Durch diese Aufrechnung erlöschen die Hauptforderung und die Gegenforderung, soweit sie sich decken, und sind damit getilgt.

Ein Beispiel: X hat dem Y ein Fahrrad verkauft und besitzt deshalb eine Kaufpreisforderung in Höhe von 1.000 €. Y wiederum hat dem X eine Wohnung vermietet und deshalb Anspruch auf eine Mietzahlung in Höhe von 850 €. Diese beiden Forderungen lassen sich gegeneinander aufrechnen – mit der Folge, dass die Mietforderung vollständig erlischt und X von Y nur noch 150 € für das Fahrrad verlangen kann.

Als Hauptforderung wird die Forderung bezeichnet, gegen die der Schuldner aufrechnet, und die Forderung, mit der er aufrechnet, als Gegenforderung.

Aufrechnung: Voraussetzungen im Überblick

Eine wirksame Aufrechnung setzt einerseits eine Aufrechnungserklärung voraus. Der Schuldner muss die Aufrechnung gegen die Hauptforderung ausdrücklich erklären und sollte diese dabei ganz genau bezeichnen. Für die Aufrechnungserklärung ist keine besondere Form vorgeschrieben, sodass eine mündliche Erklärung genügt. Aus Beweisgründen sie so jedoch schriftlich erfolgen.

Andererseits ist eine Aufrechnungslage erforderlich. Das beinhaltet Folgendes:

  • Wechselseitigkeit der Forderungen: Der Gläubiger der Hauptforderung ist gleichzeitig der Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung ist zugleich der Gläubiger der Gegenforderung. Von diesem Erfordernis der Wechselseitigkeit gibt es eine Ausnahme: Tritt der Gläubiger der Hauptforderung seinen Anspruch an einen neuen Gläubiger ab, so darf der Schuldner auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen.
  • Gleichartigkeit der Forderungen: Eine Aufrechnung ist gewöhnlich nur bei Geldforderungen möglich. Auf welcher Rechtsgrundlage die jeweilige Forderung beruht, spielt hingegen keine Rolle.
  • Wirksame und fällige Gegenforderung: Der Aufrechnende darf nur mit einer wirksamen und fälligen Gegenforderung aufrechnen. Das bedeutet auch, dass die Forderung bereits bestehen, also existieren muss. Deshalb ist eine Aufrechnung mit künftigen Forderungen nicht möglich. Denn es besteht schon keine Aufrechnungslage, wenn der Anspruch noch nicht entstanden ist.
  • Erfüllbarkeit der Hauptforderung: Es genügt, wenn die Hauptforderung erfüllbar ist, also leisten darf. Dementsprechend kann er auch gegen eine verjährte Forderung aufrechnen.
  • Kein Aufrechnungsverbot: Eine Aufrechnung ist nicht möglich, wenn diese vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist. Wann das der Fall ist, lesen Sie in den folgenden Abschnitten.

Keine Aufrechnung mit verjährter Forderung – § 390 BGB

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Aufrechnung in der Regel nicht mehr möglich.
Nach Eintritt der Verjährung ist eine Aufrechnung in der Regel nicht mehr möglich.

Ist die Gegenforderung mit einer Einrede behaftet, so scheidet eine Aufrechnung aus. In diesem Fall kann der Schuldner der Hauptforderung seine Gegenforderung nicht durchsetzen. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner der Gegenforderung seine Einrede nicht gelten macht. Dieses gesetzliche Aufrechnungsverbot nach § 390 BGB greift zum Beispiel, wenn die Gegenforderung bereits verjährt ist.

§ 215 BGB lässt ausnahmsweise eine Aufrechnung trotz Verjährung der Gegenforderung zu – unter folgender Bedingung: Der Anspruch war zu dem Zeitpunkt, „in dem erstmals aufgerechnet […] werden konnte“, noch nicht verjährt. Anders ausgedrückt: Hauptforderung und Gegenforderung müssen sich irgendwann einmal unverjährt gegenüber gestanden haben. Es genügt also, wenn die Aufrechnungslage zu einem früheren Zeitpunkt bestand.

§ 215 BGB greift zum Beispiel im folgenden Fall: Eine Mieterin verlangt nach der Beendigung des Mitverhältnisses die Rückzahlung der Kaution. Sie hatte Wohnung am 8.11.2019 zurückgegeben. Mit seinem Schreiben vom 20.5.2020 rechnet der Vermieter über die Kaution ab. Dabei erklärt er gleichzeitig die Aufrechnung mit seinen Schadensersatzforderungen, weil die Mieterin Schäden in der Wohnung hinterlassen hatte. Diese Ansprüche waren zu diesem Zeitpunkt aber schon verjährt – die sechsmonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen.

Deshalb verklagt die Mieterin den Vermieter auf Rückzahlung der Kaution. Sie beruft sich auf das gesetzliche Aufrechnungsverbot, weil die Schadensersatzforderung verjährt sei, und sie deshalb die Schadensersatzleistung verweigern dürfe.

In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine Aufrechnung aufgrund der Regelung des § 215 BGB trotzdem möglich ist (BGH, Urteil vom 10.7.2024, Az. VIII ZR 184/23).

Weitere gesetzliche Aufrechnungsverbote

Auch zwischen Finanzamt und Steuerschuldner ist eine Aufrechnung laut Abgabenordnung (AO) möglich.
Auch zwischen Finanzamt und Steuerschuldner ist eine Aufrechnung laut Abgabenordnung (AO) möglich.

§ 393 BGB verbietet außerdem die Aufrechnung, wenn die Hauptforderung auf einer vorsätzlichen, unerlaubten Handlung des Schuldners beruht. Er kann zum Beispiel nicht gegen eine Schadensersatzforderung aufrechnen, die auf einer vorsätzlich begangenen Straftat beruht, zum Beispiel auf Betrug oder Sachbeschädigung.

Darüber hinaus ist eine Aufrechnung gegen eine unpfändbare Hauptforderung ausgeschlossen. Relevant sind hier vor allem die Pfändungsverbote in den §§ 850 ff. ZPO, wonach zum Beispiel der monatliche Pfändungsfreibetrag von 1.499,99 €, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld von bis zu 750 € unpfändbar sind. Gegen diese Gehaltsforderungen darf laut § 394 BGB nicht aufgerechnet werden.

Darüber hinaus kann die Aufrechnung auch ausgeschlossen sein, wenn die beiden Parteien dies vertraglich vereinbart haben. Das macht zum Beispiel bei Mietverträgen und anderen Dauerschuldverhältnissen Sinn. Bei einem solchen vertraglichen Aufrechnungsverbot ist jedoch eine Einschränkung zu beachten: Erlaubt ein Unternehmer Verbrauchern in seinen AGB eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen, so ist dieses Verbot unwirksam.

Wirkung der Aufrechnung laut § 389 BGB

Die Aufrechnung ist eine Möglichkeit, um Schulden zu tilgen und eine Leistung (zumindest teilweise) zu erfüllen. Sowohl die Hauptforderung als auch die Gegenforderung erlöschen rückwirkend in dem Moment, in dem sie sich zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstehen, – aber nur, soweit sie deckungsgleich sind.

Diese Verrechnung von Geldforderungen geschieht allerdings nicht automatisch, sondern nur, wenn eine Seite die Aufrechnung erklärt. Damit ist sie – wie die Kündigung – ein Gestaltungsakt und ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Aufrechnungsgegner kann der Aufrechnung übrigens nicht widersprechen.

Quellen und weiterführende Links

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Über den Autor

Sascha Münch (Rechtsanwalt)
Sascha Münch

Sascha Münch studierte Jura an der Universität Bremen und absolvierte sein Referendariat am OLG Celle. Seine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt er 2013. 2019 folgte die Bestellung zum Notar (seit 2021 Notar a. D.). Als Autor für privatinsolvenz.net beantwortet er wichtige Fragen rund ums Insolvenz- und Schuldenrecht.

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