Erben in der Insolvenz: Dürfen Schuldner in der Privatinsolvenz die Erbschaft behalten?

Von Franziska L.

Letzte Aktualisierung am: 4. April 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Erben in der Insolvenz: Was müssen Schuldner in der Privatinsolvenz beachten?
Erben in der Insolvenz: Was müssen Schuldner in der Privatinsolvenz beachten?

Wenn ein Schuldner wegen Zahlungs­unfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz angemeldet hat und danach erbt, stellt sich für ihn die Frage, mit welchen rechtlichen Konsequenzen Erben in der Insolvenz rechnen müssen.

Welche Handlungsmöglichkeiten haben Erben bei einer Privatinsolvenz? Dürfen verschuldete Erben bei laufender Insolvenz das Erbe behalten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Ratgeber.

Wichtiger Hinweis: Wer ab dem 1.10.2020 Privatinsolvenz beantragt, kommt schon nach drei Jahren in den Genuss der Restschuldbefreiung. Der Schuldner muss dafür nicht mehr die Verfahrenskosten und 35 Prozent seiner Schulden bezahlen. Es genügt, wenn er sich redlich verhält und seinen Obliegenheiten nachkommt.
Genauere Informationen zu dieser Gesetzesänderung, mit der EU-Recht in deutsches Recht umgesetzt wurde, finden Sie in unserem Ratgeber über die Restschuldbefreiung.

“Erben in der Insolvenz“ kurz zusammengefasst

Muss ich das Erbe annehmen, wenn ich mich gerade in der Privatinsolvenz befinde?

Nein. Erben in der Insolvenz steht es grundsätzlich frei, ob sie das Erbe ausschlagen oder annehmen.

Was passiert, wenn ich das Erbe trotz Privatinsolvenz annehme?

Erben Sie nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so fällt die Erbschaft in die Insolvenzmasse, wenn Sie diese annehmen. Sie sind verpflichtet, den Insolvenzverwalter über das zusätzliche Vermögen zu informieren.

Ich befinde mich bereits in der Wohlverhaltensphase. Was muss ich nun beachten?

Wenn der Insolvenzschuldner während der Wohlverhaltensphase erbt, muss er die Hälfte der Erbschaft an den Insolvenzverwalter abgeben. Auch hier besteht eine Auskunftspflicht.

Erben bei Insolvenz – Wie wird die Erbschaft rechtlich behandelt?

Die Entscheidung, Privatinsolvenz anzumelden, ist für Betroffene ein gravierender Schritt. Sie akzeptieren ihre finanzielle Notlage und versuchen, ihre Überschuldung auf diese Weise zu regulieren. Während die Gläubiger so wenigstens anteilig ihre Forderungen bezahlt bekommen, steht für den Verbraucher am Ende die Aussicht, von den Restschulden befreit zu werden, auch wenn noch nicht alle Altschulden getilgt sind.

Bei einer Erbschaft in der Insolvenz gilt: Schuldner müssen das pfändbare Einkommen abgeben.
Bei einer Erbschaft in der Insolvenz gilt: Schuldner müssen das pfändbare Einkommen abgeben.

Allerdings müssen sich Schuldner in der Privatinsolvenz vorbildlich verhalten, ihren Obliegenheiten nachkommen und regelmäßig den pfändbaren Anteil ihres Einkommens abgeben. Dies gilt nicht nur für das monatliche Gehalt, sondern für jedwedes Vermögen, das dem Betroffenen zufließt. Erbt dieser in der Insolvenz, so gehört die Erbschaft zu diesem Vermögen dazu.

Mit der Insolvenzeröffnung fällt das gesamte pfändbare Vermögen in die Insolvenzmasse. Dies ist in § 35 der Insolvenzordnung (InsO) geregelt und umfasst auch ein mögliches Erbe. Für den betroffenen Schuldner bedeutet dies: Nur der Insolvenzverwalter hat das Recht, über das geerbte Vermögen zu verfügen. Er verwertet den Nachlass und verteilt diesen quotenmäßig an die Gläubiger.

Trotzdem ist die Annahme einer Erbschaft ein höchstpersönliches Recht, § 83 InsO. Das bedeutet, dass nur der Insolvenzschuldner dieses annehmen oder ausschlagen darf. Der Insolvenzverwalter ist dazu nicht berechtigt.

Die Insolvenzverwalter kann die entsprechende Erklärung des Schuldners auch nicht anfechten. Denn das Erben ist auch in der Insolvenz eine höchstpersönliche Angelegenheit.

Erbrecht: Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Die Annahme einer Erbschaft bedeutet nichts anderes, als dass der Begünstigte erklärt, dass er erben will. Wenn der Insolvenzschuldner ausdrücklich erklärt, dass er das Erbe antreten will oder wenn er dies durch schlüssiges Handeln zu erkennen gibt, dann ist er Erbe.

Erben bei Privatinsolvenz: Die Annahme der Erbschaft bleibt auch hier ein höchstpersönliches Recht.
Erben bei Privatinsolvenz: Die Annahme der Erbschaft bleibt auch hier ein höchstpersönliches Recht.

Erben in der Insolvenz können aber auch das Erbe ausschlagen, ohne dass sich dies z. B. nachteilig auf die Restschuldbefreiung auswirkt. Diese Möglichkeit haben sie jedoch nur innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Kenntnis, § 1944 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In diesem Fall treten andere Erben an die Stelle des Insolvenzschuldners und das Erbe fällt damit nicht in die Insolvenzmasse.

Dass es sich bei diesen beiden Entscheidung um ein höchstpersönliches Recht handelt, bekräftigte auch der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem in seinem Beschluss vom 10.03.2011 (Az. IX ZB 168/09). Danach dürfe dem Schuldner die Restschuldbefreiung nicht versagt werden, weil er seinen Pflichtteilsanspruch nicht während des laufenden Privatinsolvenzverfahrens gemacht hat.

Erben in der Privatinsolvenz während der verschiedenen Phasen des Verfahrens

Ob Erben in der Insolvenz die gesamte Erbschaft herausgeben müssen, hängt von der jeweiligen Phase des Insolvenzverfahrens ab.
Ob Erben in der Insolvenz die gesamte Erbschaft herausgeben müssen, hängt von der jeweiligen Phase des Insolvenzverfahrens ab.

Ob Erben in der Insolvenz die gesamte Erbschaft herausgeben müssen, hängt davon ab, in welcher Phase der Insolvenz bzw. Verschuldung sie erben.

Zu unterscheiden sind hier im Wesentlichen drei Fallkonstellationen:

  • Erben während der außergerichtlichen Schuldenbereinigung
  • Erben in der Insolvenz nach der Eröffnung des Verfahrens
  • Erben in der Wohlverhaltensphase

Erben bei Schulden während der außergerichtlichen Schuldenbereinigung

Bevor Verbraucher bzw. Privatpersonen die Privatinsolvenz anmelden, müssen sie versuchen, sich außergerichtlich mit ihren Gläubigern über ihre Schulden zu einigen. Betroffene, die während dieser Phase eine Erbschaft annehmen möchten, gelten noch nicht als Erben in der Insolvenz. Sprich: Sie können über das geerbte Vermögen frei verfügen.

Bitte beachten Sie, dass Gläubiger in diesem Zeitraum versuchen können, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung gegen Sie durchzusetzen. In diesem Fall verlieren Sie unter Umständen doch Ihre Erbschaft.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, so schnell wie möglich mithilfe einer professionellen Schuldnerberatung oder einem Rechtsanwalt auf eine Einigung mit den Gläubigern hinzuwirken.

Erben bei laufendem Insolvenzverfahren

Erst wenn das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, fällt das Erbe in die Insolvenzmasse, sodass Sie nicht mehr frei darüber verfügen können.

Erben müssen während der Insolvenz die Hälfte der Erbschaft herausgeben, wenn sie sich in der Wohlverhaltensphase befinden.
Erben müssen während der Insolvenz die Hälfte der Erbschaft herausgeben, wenn sie sich in der Wohlverhaltensphase befinden.

An das eigentliche Insolvenzverfahren schließt sich in der Privatinsolvenz die sogenannte Wohlverhaltensphase an. Diese dauert drei bis sechs Jahre ab Eröffnung des Verfahrens. Erben Sie in dieser Phase der Insolvenz, so müssen Sie die Hälfte der Erbschaft an den Insolvenzverwalter herausgeben.

Etwas anderes gilt hingegen, wenn das Erbe im Insolvenzverfahren anfällt, jedoch erst in der Wohlverhaltensphase angetreten wird. In diesem Fall muss der Insolvenzschuldner das gesamte Erbe herausgeben und darf nichts davon behalten.

Nach § 295 Absatz 1 Nr. 2 InsO ist der Schuldner verpflichtet,

Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben.“

Erben Sie in der Insolvenz und kommen Sie dieser Obliegenheit nicht nach, so gefährden Sie Ihre Restschuldbefreiung. Diese kann dann unter Umständen versagt werden.

Doch auch während der Wohlverhaltensperiode gilt, dass Insolvenzschuldner frei entscheiden dürfen, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen. Die Ausschlagung der Erbschaft kann die Restschuldbefreiung nicht verhindern.

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Über den Autor

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Franziska L.

Franziska studierte Rechtswissenschaften. Seit 2017 gibt sie als Redaktionsmitglied von privatinsolvenz.net Tipps zu den Themen Schulden und Geldsparen. Ihr besonderes Anliegen ist es, juristische Fragen zur Insolvenz und Zwangsvollstreckung in ihren Texten möglichst einfach zu beantworten.

11 Antworte zu “Erben in der Insolvenz: Dürfen Schuldner in der Privatinsolvenz die Erbschaft behalten?”

  1. Claudia

    21. Januar 2024 um 9:13 Uhr

    3 Geschwister Erben ein Haus was nun verkauft werden soll ,aber eine Schwester ist seit 3 Jahren in der privatinsolvenz
    dürfen wir das Haus überhaupt verkaufen?

  2. Ulrike

    16. Mai 2023 um 10:02 Uhr

    Ich bin seit Februar 2020 aus der Insolvenz. Also Restschuldbefreiung liegt vor. Vor der Insolvenz hatte ich von ihnen 23.000 € geliehen, die mir aufs Erbe angerechnet werden sollten oder vorher bezahlt werden sollten, wenn dies wieder möglich ist. Dieses Geld war ich aber auf Grund der Insolvenz, nicht in der Lage zurück zu zahlen. Als Eltern haben sie keinen Antrag in der Insolvenz gestellt um Teile des Geldes zurück zu bekommen, was auch auf Grund der Höhe der Gläubigerforderungen der Banken, zu keinem Ausgleich geführt hätte. Jetzt ist meine Mutter verstorben und meine 4 Geschwister ziehen mir nun diese Summe von meinem Erbe ab. Ist das rechtens oder muss ich das akzeptieren?

  3. Ursula

    1. Februar 2023 um 17:16 Uhr

    Ich habe lange vor der Insolvenz ein Neuntel Anteil von 4 Wiesengrundstuecken geerbt(1995) . Das wusste ich aber nicht,weil es zum Erbe meines Vaters gehörte. Mit der neuen Grundsteuerberechnunng hat dass Finanzamt eine der 9 erben angeschrieben. Der insolvenzverwalter sagt ich muesse es verkaufen. Das ist aber schwierig weil die Grundstücke in Thüringen liegen und auch alle 9 zustimmen müssen. Was muss ich tun.

  4. Nils E.

    21. Oktober 2022 um 13:08 Uhr

    Vielen Dank für diesen Beitrag über das Erbe in der Privatinsolvenz. Interessant, dass das Erbe in die Insolvenzmasse gehört. Kann man sich da irgendwie gegen wehren? Ich werde mich am besten mal mit einem Anwalt für Erbrecht beraten.

  5. Nils E.

    7. Oktober 2022 um 15:18 Uhr

    Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Erben in der Privatinsolvenz. Interessant, dass es im Erbrecht grundsätzlich frei steht, ob man das Erbe annimmt oder nicht, man aber den Insolvenzverwalter über zusätzliches Vermögen informieren muss. Ich stehe gerade vor der Entscheidung, ob ich das Erbe ausschlagen sollte und werde mich mal mit einem Fachanwalt beraten.

  6. Monika

    29. Mai 2022 um 19:25 Uhr

    ich befinde mich seit August letzten Jahres in der Restschuldbefreiung. Im März ist meine Mutter verstorben und vor einigen Tagen habe ich die Abschrift des Testaments erhalten. Muss ich das Insolvenzgericht darüber informieren. Es handelt sich um eine Immobilie. Da ich auch noch Geschwister habe, muss erstmal geklärt werden, ob die Immobilie verkauft werden soll. Selbst wenn, würde das voraussichtlich noch einige Monate dauern, bis dahin bin ich aus der Privatinsolvenz raus. Meine zweite Frage: werden die Verfahrenskosten dann noch nachträglich fällig?
    Über eine schnelle Antwort wäre ich sehr dankbar.

  7. Natascha

    22. März 2022 um 13:11 Uhr

    Hallo, angenommen man macht die Privatinsolvenz und man erbt. Hier steht, man würde dann alles in der 1. Phase und die Hälfte in der Wohlverhaltensphase abgeben.
    Was ist aber, wenn man mehr erbt als die Schulden hoch sind?
    Liebe Grüße und Danke

  8. Kaiser

    14. Juli 2021 um 17:23 Uhr

    Ich befinde mich in der Insolvenz und soll ein schliessfach erben. Wer öffnet das und wenn ich selber was muss ich da tun.reicht es wenn ich den insolvenzverwalter informiere was drin war

  9. Thomas

    20. April 2021 um 10:43 Uhr

    Im Juni 2021 ist die Wohlverhaltensphase der Privatinsolvenz beendet. Einer Restschuldbefreiung steht nichts im Wege. Im April 2021 werde ich vom Nachlassgericht über eine Testamentseröffnung von Todes wegen informiert. Nach dem Testament ist die „Alleinerbin“ eine andere Person/Verwandte, ich müsste also meinen Pflichtteil geltend machen. Dafür habe ich drei Jahre Zeit bis zur Verjährung meiner Ansprüche.
    Kann ich bis zur Restschuldenbefreiung (2 Monate) abwarten bevor ich den Pflichtteil geltend mache und fällt dieser dann nicht Rückwirkend in die Insolvenzmasse?
    Oder bin ich bereits verpflichtet den Insolvenzverwalter von der Testamentseröffnung zu informieren?

  10. Klaus

    4. Januar 2020 um 18:19 Uhr

    Ich habe 2013 von meiner mutter 35000.,Euro erhalten als Erbanteil.Meine mutter ist 2017 verstorben ,der Erbanteil wurde nur mündlich vereinbahrt .Da ich mich seit 2016 in einem Insolvenzverfahren befinde und meine 4 Geschwister und ich meine mutter Ihren Bauernhof geerbt haben und diesen jetzt verkauft haben.kann man die 35000.,Euro von meinem Erbanteil jetzt abziehen .

  11. Eva

    24. Dezember 2019 um 9:18 Uhr

    Frage zu diesem Satz:Erben Sie in der Insolvenz und kommen Sie dieser Obliegenheit nicht nach, so gefährden Sie Ihre Restschuldbefreiung. Diese kann dann unter Umständen versagt werden.
    In dem Artikel wird berichtet, dass ich das Erbe NICHT ANNEHMEN MUSS. Was hat Dan mit dem dieser Satz zu bedeuten?
    Freue mich auf Erklärung und ein schönes Weihnachtsfest!

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